Gastkommentar des IE.F-Vorsitzenden Prof. Friedbert Pflüger im Handelsblatt
Handelsblatt print: Nr. 245 vom 19.12.2018 Seite 048 / Gastkommentar /
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Peter Altmaier hat seinem Büro verboten, ihn auf Autofahrten mit ausländischen Kollegen zu verbinden: Es sei zu peinlich, immer aus dem Netz geworfen zu werden. Telefonate oder das mobile Surfen auf dem Smartphone sind in Deutschland oft unmöglich. Bei der Abdeckung mit der vierten Generation des Mobilfunks (LTE) befinden wir uns heute abgeschlagen auf dem 31. Platz in Europa - knapp hinter Albanien (!).
In den nächsten Wochen wird sich entscheiden, ob wir beim Aufbau der fünften Mobilfunkgeneration (5G) aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. Jetzt müssen die Weichen für den Sprung auf die nächste Stufe der Digitalisierung gestellt werden. Die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft und damit Wohlstand und Arbeitsplätze hängen davon ab, denn flächendeckendes 5G ist der Schlüssel für die Zukunft: Ob Energiewende, Industrie 4.0, Telemedizin, moderne Landwirtschaft oder autonomes Fahren - Grundlage wird die Verfügbarkeit von 5G sein.
Aufgrund unserer nach wie vor erstklassigen Ingenieure und Facharbeiter haben wir alle Chancen. Aber Weltspitze beim Internet der Dinge und bei Künstlicher Intelligenz zu sein - das geht nur, wenn wir bei der Breitband-Infrastruktur mit Glasfaser und 5G-Masten einen wettbewerbsfreundlichen politischen Rahmen schaffen.
Im ersten Quartal 2019 stehen die Frequenzversteigerungen für 5G an. Die Bundesnetzagentur legte dafür Ende November die Bedingungen fest. Auf ein verpflichtendes National Roaming, so, wie wir es aus Europa oder den USA kennen - also die Nutzung von bereits bestehender Infrastruktur zur schnelleren Erschließung der Fläche und Vermeidung unnötiger Parallelinfrastrukturen - , hat die Netzagentur verzichtet. Sie war der Auffassung, dass ihre rechtlichen Kompetenzen für eine Roaming-Pflicht nicht ausreichen würden. Ein weiterer Streit darüber ist müßig, diese Messe ist (leider) gesungen. Allerdings hat die Bundesnetzagentur ausdrücklich National Roaming und ein diesbezügliches Verhandlungsgebot empfohlen und damit - aus ihrer Sicht - ihr Instrumentarium bis zum Äußersten ausgeschöpft. "Verhandlungsgebot" - das klingt gut, aber es dürfte schwierig werden, es in der Praxis effektiv durchzusetzen. Die Bundesnetzagentur ist nur ein Schiedsrichter, dessen Entscheidung man sich unterwerfen kann - aber nicht muss.
Unser Parlament könnte im Rahmen der nun anstehenden fünften Novelle des Telekommunikationsgesetzes zumindest lokales Roaming - also Roaming in einzelnen unterversorgten Gebieten - vorschreiben und die Schiedsrichterrolle der Bundesnetzagentur stärken. Die Idee, lokales Roaming verpflichtend durchzusetzen, stößt auf Zustimmung aus allen politischen Lagern. Es ist eben doch entscheidend, 5G bis an jede Milchkanne zu bringen. Nur so kann die strukturelle Benachteiligung von Bevölkerung und Unternehmen (darunter nicht selten "Hidden Champions") in ländlichen Regionen abgebaut und Mobilfunkabdeckung für jeden Nutzer gewährleistet werden. Flächendeckender Zugang zum mobilen Netz ist mittlerweile Teil einer modernen Daseinsvorsorge - wie Schulen, Strom oder Wasser. Daran muss sich Deutschland als Wirtschaftsstandort im globalen Wettbewerb messen lassen.
Auf europäischer Ebene hat man gerade nach jahrelangen Verhandlungen eine Richtlinie zur Durchsetzung von lokalem Roaming auf den Weg gebracht. Darin wird die Einführung in den einzelnen Mitgliedstaaten ausdrücklich vorgesehen. Der Bundestag ist verpflichtet, diese Richtlinie in nationales Recht umsetzen. Er sollte dies schnell machen, noch vor der anstehenden Frequenzauktion, weil es nur so Planungs- und Rechtssicherheit für alle Beteiligten geben kann.
Der Gesetzgeber würde damit nur dem folgen, was in den USA und bei vielen unserer europäischen Nachbarn gang und gäbe ist: Roaming zu ermöglichen, um Mobilfunkabdeckung für wirklich alle Nutzer zu gewährleisten. Das zum Beispiel von Markus Haas, dem Telefonica-Deutschland-Chef, angeführte Gegenargument, die Pflicht zum Roaming komme einer Enteignung gleich, entbehrt jeder Grundlage. Schließlich würden die Anbieter dafür angemessen vergütet. Gerade beim Bau des deutschen O2-Netzes hat doch Telefonica als damaliger "Angreifer" selbst zehn Jahre lang vom nationalen Roaming mit dem Telekom-Netz profitiert. Auch die Telekom-Tochter T-Mobile US begrüßt und nutzt Roaming in den USA.
Es gilt, ambitioniert zu handeln, um die Digitalwende in Deutschland voranzutreiben. Man darf sich nicht mehr hinter der Bundesnetzagentur verstecken. Nun hat die Stunde des Parlaments geschlagen!